Stellungnahmeverfahren zum Pfarrstellenbesetzungsgesetz

Stellungnahme des Verbands Evangelischer Religionslehrkräfte in Rheinland, Westfalen und Lippe zur Neufassung des Pfarrstellenbesetzungsgesetzes

Anlass: Befristung von Funktionspfarrstellen

Im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens sind die Kirchenkreise und Kirchengemeinden  der EKvW aufgefordert, über die Neuordnung des Pfarrstellenbesetzungsgesetzes zu beraten und ihr Ergebnis bis zum zum 15. Juli 2019 dem Landeskirchenamt vorzulegen. Die folgende Stellungnahme bezieht sich auf die in §11(2) vorgesehene Befristung von Funktionspfarrstellen auf acht Dienstjahre (mit der Möglichkeit der Verlängerung):

Bezug: 11.2 Pfarrstellenbesetzungsgesetz

Kreiskirchliche Pfarrstellen werden befristet für die Dauer von höchstens acht Jahren übertragen. Eine einmalige Verlängerung um weitere vier Jahre ist mit Zustimmung der Pfarrerin oder des Pfarrers möglich. Die Kirchenleitung kann durch Verordnung für weitere Lebenssachverhalte Verlängerungen zulassen. Kürzere Befristungen sind möglich, wenn die Pfarrstelle für besondere Aufgabenbereiche errichtet worden ist oder wenn wegen beabsichtigter Strukturveränderungen der längerfristige Bedarf einer vakanten Pfarrstelle ungewiss ist. Pfarrstellen, welche für einen Kirchenkreis und eine Kirchengemeinde errichtet worden sind, können unbefristet besetzt werden.

Begründung: [Eigentlich handelt es sich hier zum Teil um Erläuterungen!]

Die Besetzung von kreiskirchlichen Pfarrstellen soll künftig zunächst für die Dauer von acht Jahren befristet werden. Danach ist eine einmalige Verlängerung der Besetzung um weitere vier Jahre möglich. Die Kirchenleitung kann durch Verordnung für weitere Lebenssachverhalte Verlängerungen zulassen. Hier kommen insbesondere kurze Zeiten vor Eintritt in den Ruhestand oder Zeiten in Betracht, in welchen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf familiäre Belange Rücksicht genommen werden soll.

Für die Personalentwicklung der Pfarrerinnen und Pfarrer ist es wichtig, dass sie nicht zu lange im speziellen Aufgabenbereich einer Funktionspfarrstelle verbleiben. Vielmehr ist es sinnvoll, dass Pfarrerinnen und Pfarrer nach einer Zeit in Funktionspfarrstellen auch wieder in den Gemeindedienst wechseln. Dies sicher ihnen einen breiten Erfahrungshorizont und damit breitgefächerte Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten. Darüber hinaus ermöglicht es den Wissenstransfer zwischen Funktionspfarrstelle und Gemeindedienst.

Weiter ein Wechsel in einer Funktionspfarrstelle oft auch gut für das wahrgenommene Amt.

Die Befristung der Funktionspfarrstellen ermöglicht auch Strukturänderungen und Strukturanpassungen in den Kirchenkreisen.

Im Übrigen: Die Wahlen auf Stellen der oder des Präses, der Vizepräsides, der weitere Mitglieder der Kirchenleitung, der Superintendentinnen und Superintendenten, sowie beispielsweise der Studentenpfarrerinnen und Studentenpfarrer erfolgen seit vielen Jahren befristet auf acht jahre. Hierdurch wurden viele positive Erfahrungen gemacht.

Für Pfarrstellen, welche für einen Kirchenkreis und eine Kirchengemeinde errichtet wurden, soll die Regelung für Gemeindepfarrstellen gelten, damit die Errichtung nicht an der Befristung scheitert.

Argumente, die gegen diesen Punkt im Pfarrstellenbesetzungsgesetz sprechen:

1. Einschränkung der synodalen Souveränität – ein problematischer Umgang mit der presbyterial- synodalen Ordnung

Wo eine Befristung sinnvoll erscheint, sollte in bewährter Praxis der Kirchenkreis als Anstellungsträger die Möglichkeit haben, die Pfarrstelle zu befristen. Die vorgeschlagene Änderung greift massiv in das Selbstbestimmungsrecht der Kirchenkreise als Anstellungsträger für Funktionspfarrstellen ein. Grundsätzlich sollten die Bedarfe, die sich im Hinblick auf die Einrichtung von Funktionspfarrstellen ergeben, von den betroffenen Anstellungsträgern und den Verantwortlichen vor Ort gestaltet werden. Nur sie kennen die Notwendigkeiten vor Ort. So ist es ist im Hinblick auf die Unterrichtsversorgung nicht zielführend, dass das synodale Prinzip der Kirchenverfassung in dieser Sache konsistorial eingeschränkt wird. Gleiches gilt für die Entscheidung über Stellen im Bereich der institutionalisierten Seelsorge oder anderer gemeinsamer Dienst im Kirchenkreis. Auch hier weiß man nur vor Ort,  ob eine Befristung sinnvoll ist oder nicht – und das unabhängig von den Amtsinhaberinnen und Amtsinhabern.

2. Ein hoch problematisches Kirchen- und Pfarrbild

In der Begründung für die Artikel 11.2 ist davon die Rede, dass es sinnvoll sei, dass Pfarrerinnen und Pfarrer in Funktionspfarrstellen  nach einer Zeit wieder in den Gemeindedienst wechseln. Als Begründung wird der weite Erfahrungshorizont des Gemeindedienstes mit seinen gefächerten Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten angeführt. Dies verkennt das Kirchenbild aus 1. Kor. 12. Die unterschiedliche Begabung von Menschen, die an unterschiedlicher Stelle  am Leib Christi teilhaben und ihren Dienst tun – das bezieht sich nicht nur auf unterschiedliche Aufgaben innerhalb der Kirche, sondern auch innerhalb der Pfarrschafft! Es gibt Menschen, die eben gerade nicht im Gemeindedienst, sondern im gemeinsamen Dienst in der Schule, in der spezialisierten Seelsorge oder an anderer Stelle ihre Gaben recht entfalten und sich in rechter Weise entwickeln können. Der Gemeindedienst  ist  nur eine von mehreren gleichwertigen pastoralen Arbeitsformen, die dazu dienen, die Botschaft Christi weiter zu tragen, die einander ergänzen: Der Gemeindedienst entspricht eher dem Bild  eines sicheren Zufluchtsortes (Mt. 11,28: Kommt her zu mir alle, …), auf den Kirche auf keinen Fall verzichten darf! Aber viele gemeinsame („funktionale“) Dienste ergänzen dieses Bild. Denn ihre Aufgabe besteht darin, gerade in die Welt zu gehen, und das Evangelium durch Wort und Tat (tätige Verkündigung des Evangeliums, Dienst an  den Menschen) im Alltag der Menschen zu verkündigen. (Mt. 28,18-20) Dieser Dienst ist ebenso notwendig und unverzichtbar! Diese Sicht der Gleichwertigkeit beider Bereiche entspricht auch allen Erklärungen der Landessynode zur Relevanz des funktionalen Dienstes. Es ist daher unangemessen und theologisch höchst fragwürdig, wenn auf dem Wege des Dienstrechtes Funktionspfarrstellen gegen Gemeindepfarrstellen in dieser Weise gegeneinander ausgespielt werden.

3. Schaden für die Kirche: Die Kirche wird zum unzuverlässigen Partner, es wird zu unnötiger Mehrarbeit und Vakanzen kommen, Ressourcen werden verschwendet.

In der Begründung wird behauptet, dass ein Wechsel in einer Funktionspfarrstelle gut für das wahrgenommene Amt sei. Gleich in mehrfacher Hinsicht ist diese Behauptung und Begründung falsch!

1. Verlust der Verlässlichkeit: Bei der Einrichtung von Pfarrstellen zur Erteilung Evangelischer Religionslehre haben Verlässlichkeit und Kontinuität des Dienstes für Schulleitungen sowie für die Bezirksregierungen einen hohen Stellenwert. Die Ausübung eines Dienstes, der zeitlich nicht befristet ist, erhöht für die Schulen die Planbarkeit. Überdies werden Reibungsverluste durch langwierige Pfarrstellenbesetzungsverfahren, Einarbeitungsphasen, durch die Gestaltung von Übergängen und Vakanzen bei der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung vermieden. Zudem ist davon auszugehen, dass eine Befristung der Dienstzeit vor allem gegen Ende einer Dienstphase verständlicherweise zu einer veränderten Motivationslage und Arbeitssituation von Pfarrstelleninhaber/-innen von Schulpfarrer/innen führt. Die veränderte Motivationslage hat u.a. damit zu tun, dass Pfarrstelleninhaber/innen solche einer Pfarrstelle sich auf die Suche nach einer passenden Gemeinde machen müssen und  sich auf den Dienst in der Gemeinde vorbereiten müssen. Diese veränderte Arbeitssituation und Motivationslage schadet dem Ansehen des Faches und belastet die Zusammenarbeit von Kirche und Schule. Auch im Bereich anderer Funktionsstellen werden eventuelle Partner (diakonische Werke, Krankenhaus- und Altenheimträger) bei einer Befristung mit häufigen Wechseln konfrontiert. Und auch hier ist mit Veränderungen  in der Arbeitssituation und –motivation gegen Ende der befristeten Dienstzeit zu rechnen.

2. Unnötige Mehrarbeit: Die Neuregelung führt zu vermehrten Pfarrstellenbesetzungsverfahren. Im Bereich der Schule wird so die ohnehin vorhandene Komplexität durch die erforderliche Beteiligung von Schulleitungen und der Bezirksregierung gesteigert, was für alle Beteiligten (Schulreferenten, Bezirksbeauftragte, Superintendenten, Schulausschüsse) zu vermeidbarer Mehrarbeit führt. Überdies stärkt es nicht das Ansehen des Faches im Kontext von Schule, wenn die Arbeitsbedingungen der Unterrichtenden sich grundsätzlich von denen anderen Lehrer/-innen unterscheiden. Pfarrstellen im Funktionsbereich Religionsunterricht sollten deshalb nicht grundsätzlich befristet sein. Auch im Bereich anderer gemeinsamer Dienste wird durch die häufigen Besetzungsverfahren und durch die dabei die einzubeziehenden Gremien eine unnötige Mehrarbeit herbeigeführt.

3. Drohende Vakanzen: Die Befristung von Funktionspfarrstellen ist auch schädlich für das Ansehen der Kirche und für die wahrgenommenen Ämter aufgrund drohender Vakanzen und Besetzungsprobleme. Denn in Zeiten schwindender personeller Ressourcen wird es in absehbarer Zeit schwierig sein, geeignete Menschen für  solche Pfarrstellen zu gewinnen. Denn die Lebensplanung für die Inhaber/innen solcher befristeter Pfarrstellen wird erschwert. Damit werden diese Pfarrstellen unattraktiv und es ist mit Vakanzen zu rechnen. Und das gerade bei Pfarrstellen, die eine hohe Begabung für den jeweiligen Bereich voraussetzen. Im Bereich der Schulen ist zudem damit zu rechnen, dass durch die Vakanzen die Unterrichtsversorgung nicht mehr gewährleistet ist.

4. Ressourcen werden verschwendet: Für die Aufgaben in den gemeinsamen Diensten sind häufig zusätzliche Qualifikationen und Spezialisierungen erforderlich (z.B. KSA, Pädagogische Weiterbildung u.ä.). Zudem braucht es Jahre, bis notwendige Netzwerke für die Arbeit geschaffen werden. Beim häufigen Wechsel werden diese aufgewendeten Energien und Investitionen unnötig verschleudert.

4. Unvergleichbarkeit von Leitungspfarrämtern und Studierendenpfarrstellen mit kreiskirchlichen Funktionspfarrstellen

Als weitere Begründung für die Befristung wird auf die positiven Erfahrungen bei den Stellen der oder des Präses, der Vizepräsides, der weiteren Mitglieder der Kirchenleitung, der Superintendentinnen und Superintendenten (also der Leitungspfarrämter), sowie beispielsweise der Studentenpfarrerinnen und Studentenpfarrer verwiesen. Der Vergleich zu den Leitungsämtern passt nicht. Denn Leitungsämter werden als Beförderungsstellen anders besoldet. Sie werden zudem von den jeweiligen Synoden vergeben und sie haben besondere Leitungs- und Gestaltungsaufgaben. Zudem gibt es hier keine Befristung auf maximal zwölf Jahre, sondern die normale Möglichkeit zur Wiederwahl. Dazu werden solche Pfarrstellen  i. D. R. von Pfarrerinnen und Pfarrer angestrebt, die schon einige Berufserfahrung aufweisen. Da ist die Befristung auf acht oder 16 Jahre auch kein Problem! Der Verweis auf die Studierendenpfarrstellen passt  auch nicht, da es sich hier um ganz spezielle Pfarrstellen handelt, bei denen die unter 3) genannten Probleme gerade nicht auftauchen. Auch sind sie inhaltlich mit den meisten anderen Pfarrstellen der gemeinsamen Dienste in den Kirchenkreisen nicht vergleichbar.

5. Ein untaugliches Mittel zur Personalplanung

In der Begründung ist weiter davon die Rede, dass die Befristung der Funktionspfarrstellen auch Strukturänderungen und Strukturanpassungen in den Kirchenkreisen ermögliche. Dem ist ebenfalls zu widersprechen:

  1. Durch natürliche Fluktuation und Zusammenarbeit von Kirchenkreisen, die ja jetzt mit dem neuen Gesetz erleichtert wird, ist es problemlos möglich Strukturen zu verändern. Im Bereich der Schulen sollten dazu die Bedarfe der Schulen weiterhin wesentlicher Faktor für die Frage der Strukturen sein, wenn wir vom Staat und der Öffentlichkeit weiter als verlässlicher Partner wahrgenommen werden wollen, dem die Bildung, zumal die religiöse Bildung der jungen Menschen wichtig ist.
  2. Der Versuch durch die Befristung zu erreichen, dass mögliche Lücken im Bereich des Gemeindedienstes zu stopfen, ist fraglich. Denn wenn Menschen für sich erkannt haben, dass ihr Ort in der Kirche, an dem sie ihren Dienst tun können und wollen, nicht die Gemeinde ist, dann wird weder diesen Menschen noch den Gemeinden ein Gefallen getan, wenn diese Menschen zwangsweise zurück in die Gemeinde geschickt werden. Umgekehrt nehmen auch die Arbeitsfelder der gemeinsamen Dienste Schaden, wenn dann versucht wird, Menschen die eben dort nicht ihren Ort sehen, in diese Stelle zu entsenden, weil durch die Befristungen dringend zu stopfende Lücken aufbrechen.
  3. Eine Kultur des Wechsels ist nur auf der Basis der Freiwilligkeit, der subjektiven Situation und der jeweiligen Gegebenheiten vor Ort denkbar, wenn dies zum Vorteil für alle Beteiligten gereicht. Dafür sollten unterstützende Maßnahmen ergriffen werden (Beratung), die frei von jedem Zwang und jeder Verpflichtung sind und die als Möglichkeit  in allen  Arbeitsfeldern (auch den Gemeinden) zur Verfügung stehen.

Folgerung: Konsequente Ablehnung des Artikels 11.2

Da Artikel 11.2 dem Grundgedanken unserer presbyterial- synodalen Ordnung widerspricht, theologisch höchst fragwürdig ist, unserer Kirche schadet (auch in der Öffentlichkeit) und als Mittel der Personalplanung nicht taugt, bitten wir die Kreissynoden in der Beratung über dieses Gesetz diesen Artikel abzulehnen und dafür zu sorgen, dass auf des Landessynode entsprechend beschlossen wird.

 

Soest, 29. April 2019

Für den Vorstand:     Pfarrer Matthias Grevel     (Vorsitzender)